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Das macht uns wirklich glücklich

Die Ergebnisse der größten Glücksstudie der Welt.

11. Mai 2018

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Professor George E. Vaillant leitet die weltweit größte Studie zum Glück. Vaillant weiß, was zufrieden macht. Und hat es uns erzählt.

Professor George E. Vaillant

...hat Psychologie am Harvard College in Cambridge studiert und lebt hauptsächlich in Kalifornien.

George E. Vaillants Stimme ist tief. Der Harvard-Professor klingt wie der Erzähler auf alten Kinderkassetten. Doch seine Geschichten beantworten eine Frage, die sich nur Erwachsene stellen: Was macht glücklich?

Darauf sammelt Vaillant seit 1967 Antworten. Damals übernahm er die Grant-Studie, die 1938 begann, das Leben von Harvard- Absolventen zu begleiten, um herauszufinden, wie Glück geht. Frauen waren an der Elite-Universität noch nicht zugelassen. Und nicht alle jungen Männer, die an der Studie teilnehmen wollten, wurden ausgewählt. So bekam der spätere Stardirigent Leonard Bernstein eine Absage, mit dabei war hingegen John F. Kennedy, dessen Akte bis 2040 allerdings unter Verschluss ist.

Vaillant besucht die Männer nun seit mehr als 40 Jahren regelmäßig zu Hause oder telefoniert mit ihnen. Die meisten sind verstorben.

Ein Gespräch darüber, was ein gutes Leben ausmacht.

ways2live:

Herr Vaillant, Sie sagen, wir müssen keine Angst vor dem Älterwerden haben. Klingt gut!

George E. Vaillant:

Ja, das liegt daran, dass es immer leichter fällt, sich auf die Liebe einzulassen, je älter man wird. Und das ist das Wichtigste für ein erfüllendes Leben.

Warum gelingt uns das weniger, wenn wir jung sind?

Mit 25 ist es für viele noch schwer, sich wirklich auf einen anderen Menschen einzulassen und echte Intimität zuzulassen. Wer jung ist, hat mehr Angst davor, verlassen und verletzt zu werden.

Und diese Angst lässt nach?

Genau. Je älter wir werden, desto weniger Angst haben wir davor. Selbst die Teilnehmer unserer Studie, deren Beziehungen zerbrochen sind, haben nicht bereut, sich einmal auf die Liebe eingelassen zu haben. Weil damit einfach jede Menge Freude und Glück ins Leben kommen.

Was verändert sich denn, wenn wie uns wirklich einlassen?

Die Studie hat gezeigt, dass wir empathischer werden. Wenn man jung ist, nutzt man Beziehungen, um selbst daran zu wachsen. In dieser Zeit geht es vor allem um die eigenen Bedürfnisse. Ungefähr ab 40 wird das anders, wir haben Kinder, für die wir sorgen. Unsere Eltern kümmern sich nicht mehr um uns, sondern wir uns auch um sie. Sogar im Bett denken wir weniger an uns.

Beim Sex?

Genau. Da wird uns der Orgasmus des Partners wichtiger als der eigene. Liebe bedeutet auch, sich mehr um andere als um sich selbst zu kümmern.

"Auch ein unglücklicher Mensch kann glücklich werden, wenn er an sich arbeitet."

Und das macht dann zufrieden?

Die Studie zeigt, dass diejenigen, die Freude daran haben, anderen etwas zu geben, zufriedener sind als selbstbezogene Menschen.

Macht Geld glücklich?

Geld hat wenig mit Zufriedenheit zu tun. Alfred Paine, ein Mann aus der Studie, war sein Leben lang reich. Glücklich war er nicht. Und die Männer, die immer viel gearbeitet und gespart hatten bis zur Rente, waren dann mit ihrem Geld auch nicht glücklicher.

Aber arm und glücklich? Geht das?

Es ist überraschend, wie zufrieden manche Menschen in Bangladesch sind. Am ärmsten dran ist mit Sicherheit, wer keine Beziehungen und Freundschaften zu anderen hat.

Kommt Zufriedenheit aus uns selbst oder ist sie von äußeren Einflüssen abhängig?

Wie wir auf die Welt schauen, hängt zur Hälfte von den Umständen ab und zur Hälfte von unseren biologischen Anlagen.

"Geld hat wenig mit Zufriedenheit zu tun. Am ärmsten dran ist mit Sicherheit, wer keine Beziehungen und Freundschaften zu anderen hat."

Dann kann man also nicht viel für sein Glück tun, wenn die Umstände oder Anlagen schlecht sind?

Doch. Wer eine schlimme Kindheit hatte, ist zwar erst einmal unglücklich. Aber wir verändern uns unser Leben lang. Und das bedeutet: Auch ein unglücklicher Mensch kann glücklich werden, wenn er an sich arbeitet.

Haben Sie ein Beispiel aus der Studie?

Daniel Garrick, ein gescheiterter, aber leidenschaftlicher Schauspieler, bezeichnete sich mit 40 als Versager. Da war er Theaterlehrer am College, nicht sein Traum. Dann ging seine Ehe zu Bruch und sein Sexleben war eine lange Zeit nicht erwähnenswert.

Klingt nicht gut. Wie wurde er doch noch glücklich?

Mit Anfang 50 beendete er seinen Job als Theaterprofessor und versuchte, doch seinen Traum zu leben. Garrick heuerte an einem Theater an, wurde immer erfolgreicher. Er ging laufen und Rad fahren, seine Gesundheit wurde immer besser. Mit 78 hat er nochmals geheiratet, glücklich. Er arbeitete als Schauspieler bis zum Schluss, hatte viel Erfolg, viele Freunde und starb mit 96 als glücklicher Mann.

Positiv zu bleiben fällt oft schwer.

Ja. Aber Zufriedenheit ist immer auch von der eigenen Bewertung abhängig. Wie mit der Prinzessin auf der Erbse. Prinzessin zu sein ist doch toll, sie könnte also sehr zufrieden sein. Stattdessen konzentriert sie sich nur auf die Erbse, also auf das Einzige, was nicht passt. Dadurch ist sie ständig unzufrieden.

Wenn man unglücklich ist – sollte man sein Leben ändern oder das Beste daraus machen?

Wenn man Dinge nur ändern will, weil man sich selbst nicht mag, wird es einem danach nicht besser gehen. Bevor man den Job kündigt oder in eine neue Stadt zieht, sollte man sich immer fragen: Will ich das jetzt verändern, um daran zu wachsen, oder laufe ich vor etwas davon?

Wir Deutschen gelten als sehr pflichtbewusst. Kann jemand, der sich viel unter Druck setzt, überhaupt glücklich sein?

(lacht laut)

"Zufriedenheit kommt von der Fähigkeit, zu genießen. Wie jeden Bissen eines köstlichen Essens."

Was ist so lustig?

Ein gestresster Liebhaber hat doch keinen Spaß am Sex! Und immer zu putzen, damit ja kein Staub rumliegt, macht nicht zufrieden!

Gut, weniger Druck und Pflichten. Was sollten wir stattdessen tun?

Rausgehen in die Natur, wenn schon die Sonne scheint. Pflichtbewusst ist das nicht – aber es macht mehr Spaß. Was ich sagen will: Man kann es auch übertreiben mit der Pflicht. Gesund ist ein Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung. Denn das andere Extrem ist auch nicht förderlich fürs Glück.

Warum?

Sie können noch so entspannt in der Hängematte liegen – wenn ein Tiger vorbeikommt, sind Sie in großer Gefahr. Und weil Sie davor so entspannt waren, haben Sie ihn vielleicht nicht kommen sehen.

Viele wollen immer mehr. Einen tolleren Job, ein schöneres Haus. Was ist mit denen, die nie genug bekommen können?

Wer gerade einen tollen Mann küsst und dabei nach einem noch tolleren Ausschau hält, ist dumm. Wer immer mehr will, sollte seine Einstellung ändern, sonst wird er nie zufrieden sein. Zufriedenheit kommt von der Fähigkeit, zu genießen. Wie jeden Bissen eines köstlichen Essens.

Aus unterschiedlichen Studien wissen wir, dass Frauen zufriedener sind als Männer. Was machen sie anders?

Frauen sind besser darin, innige Freundschaften zu pflegen.

Sie sagen, die Dinge, die einen am unglücklichsten machen, seien der Tod eines Kindes oder Partners oder eine unglückliche Partnerschaft. Was macht denn jeden zufrieden?

Genießen zu können, geben und lieben zu können. Alles spielerischer zu sehen und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Sich eine sinnvolle Arbeit zu suchen. Der wichtigste Faktor für Zufriedenheit in meiner Studie waren tiefe Beziehungen zu Kindern, Freunden und vor allem zum Partner. Das Leben wird erst mit anderen wirklich schön.

Text

Jennifer Köllen

Bild

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