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"Mir gehören drei Surfcamps"

Vom Betriebsleiter einer Krankenkasse zum Besitzer dreier Surfcamps. Oder auch: vom Anzug in die Badeshorts.

11. April 2018

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Alex Hnatyk war mal Versicherungsangestellter. Heute gehören ihm drei Surfcamps in Sri Lanka und Dänemark. Im Interview mit ways2live erzählt der 33-Jährige, warum das so kommen musste...

Alex, früher hast du den spießigsten Job gemacht, jetzt den unkonventionellsten. Vom Anzug in die Badeshorts. Wie kam's?

Mit 18 stand ich das erste Mal auf dem Brett. Das hat meine Urlaubsplanung komplett verändert, ich wollte nur noch surfen.

Aber das kennen ja alle Surfer...

Ja. Das war als selbstständiger Versicherungsfachmann erst auch alles ok. Da hatte ich Freiheiten, konnte längere Auszeiten nehmen. Doch dann hab ich bei der gesetzlichen Krankenkasse als Betriebsleiter angefangen. Dort habe relativ schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Da gab es zu feste Strukturen für mich.

Was hat dir an dem Job nicht gepasst?

Ganz normale Gegebenheiten einer Festanstellung: Dass man Leuten reportpflichtig ist, dass man Vorgesetzte hat. Das waren alles Sachen, mit denen ich nicht klar kam. Außerdem war nur arbeiten und Karriere machen nicht das, was ich wollte.

Und dann hast du gekündigt?

Ja. Ich wollte erstmal neun Monate eine Auszeit nehmen. In der Zeit habe ich in Marokko in einem Surfcamp gearbeitet. Nach sechs Monaten hab ich mich gefragt, welche Konsequenzen es hätte, zurück nach Deutschland zu gehen. Da habe ich relativ schnell gemerkt: Willste nicht (lacht).

Dann hab ich eine Ausbildung zum Surflehrer gemacht. Bald darauf wurde mir bei Wavetours in Frankreich angeboten, ein Camp zu leiten. Das haben ich dann die nächsten Jahre gemacht. Im Sommer war ich in Frankreich, im Winter in Marokko.

Leben im Surfcamp: Strand, Palmen, Surfunterricht, und abends chillen mit Team und Bierchen.

Wie kam es zu eurem eigenen Camp Drivethru?

2013 bin ich nach Sri Lanka. Da dachte ich mir: Hier müsste man ein Camp aufmachen. Ich hab Raphi und Waschdl gefragt, zwei meiner besten Kumpels, die auch Surflehrer sind. Sie waren sofort dabei.

Woher hattet ihr das Geld?

Anfangs brauchten wir nicht viel. Der Plan war, dass wir ein Haus mieten und eine Saison dort Surfunterricht geben. Da war die Investition überschaubar: Miete, Surfbretter, Material. Da hab ich gesagt: Gut, zahl ich. Und wenn wir am Ende des Jahres mit Null rausgehen, ist alles gut. Schnell war alles ausgebucht. Da haben wir uns gesagt: Warum nicht richtig loslegen? Und dann wir haben uns entschieden, dort ein Haus zu kaufen.

Das war dann aber teurer…

Ein bisschen Geld hatte ich. Ich hatte ja immer als Campleiter gearbeitet und nicht viel ausgegeben in den Jahren. Viel hatten wir aber nicht. Ich hab zwar meine Eigentumswohnung verkauft, aber in Gelsenkirchen hab ich dafür auch nicht viel bekommen. Wir haben uns auch von Freunden und Familie Geld geliehen. Das Haus, was wir gekauft haben, konnten wir über mehrere Jahre abzahlen. Machen wir auch immer noch.

Zu dritt?

Raphi und Waschdl tragen kein Risiko. Aber die beiden sind gleichberechtigte Partner. Ich treffe keine Entscheidung ohne sie. Das ist unser Werk, und mir ist es wichtig, dass das auch alle wissen.

Als Alex und seine Kumpels das Camp gestartet haben, waren sie täglich drei Mal surfen. Heute ist das anders.

Einfach mal Auswandern nach Sri Lanka. Das macht man so easy?

Naja, mit der Option, jeden Tag surfen zu können… :)

Verstehe :) Was haben deine Eltern dazu gesagt?

Die waren erstmal sehr skeptisch und haben gesagt: „Du hast als Gebietsleiter doch einen super Job. Aber wenn du meinst, dass das das Richtige ist, dann mach. Musst halt dann sehen, wie du klarkommst.“ Als wir mit dem Camp gestartet sind, haben sie uns aber unterstützt, wo sie konnten. Dafür bin ich ihnen auch sehr dankbar. Heute finden die das super und kommen mich auch in Sri Lanka besuchen.

Was gab es bei dem Bau vom Camp für Hürden mit den Einheimischen?

Im Groben kann man sagen, dass nichts zu dem Termin fertig war, zu dem es versprochen war, alles teurer war, als angeboten - und nichts zu der Qualität, zu der man es erwartet hat.

Hattest du Zweifel, ob es läuft mit Drivethru?

Schon. Als wir das erste Haus gekauft haben, war es fast klar, dass es nicht funktionieren würde. Weil das Haus unser Budget gesprengt hat. Der Besitzer ist uns sehr entgegen gekommen. Aber es war klar, dass das mit dem Surfcamp sehr gut laufen muss, damit wir das abbezahlen können. So war es dann auch. Aber das konnte zum damaligen Zeitpunkt niemand wissen. Wir haben uns zu dritt zusammengesetzt, und ich hab gesagt: Wenn es nicht klappt, muss ich Privatinsolvenz anmelden. Aber es ist ein geiles Haus mit einem geilen Surfspot vor der Tür. Lass uns das machen.

Tägliche Routine: Surfbretter auf die Tuk Tuks oder den Bus schnallen, und mit den Gästen zum Strand fahren.

Beste Freunde und Gründer von Drivethru: Alex, Raffi und Waschdl

Alex mit Schnäuzer und Surfbrett

 

Hast du es mal bereut, das gemacht zu haben?

Nein, nie. Klar gab es Tage, die anstrengend waren. Um ehrlich zu sein, haben wir uns das Ganze viel einfacher vorgestellt. Nicht nur finanziell. Da waren wir etwas naiv. Ich kümmer mich gerade auch viel in Deutschland um das Business und um das Camp in Dänemark. Raphi und Waschdl haben in Sri Lanka auch mal Stress mit den Locals. Ist ja auch klar. Die denken, wir nehmen ihnen dort die Jobs als Surflehrer weg. Da muss man immer wieder verhandeln und Dinge klären. Aber trotzdem hab ich es nie bereut, dass wir das gemacht haben.

Auch nicht, als der Worst Case Fall im Camp war?

Als am Anfang nichts geklappt hat im Camp, habe ich schon kurz meine Existenz dahin gehen sehen. Aber da bin ich nicht durchgedreht, sondern hab mit angepackt und versucht, den Bauarbeitern zu helfen. Wir sind immer noch unseren ersten Gästen dankbar, dass die nicht so streng mit uns waren.

Kann man in dem Job überhaupt erwachsen werden?

Was heißt das denn schon, erwachsen werden? Die meisten Leute, mit denen ich im Camp arbeite und Zeit verbringe, haben eine simple Art von Humor. Aber ich glaube und hoffe, dass die sich das beibehalten. Ich bin ja selbst auch so: Ich mag dumme Witze, hab nen einfachen Humor und kann auf politischen Diskussionen und ernsthafte Themen meistens verzichten.

Wir machen einfach das, was wir machen wollen. Dadurch können wir sorgenfreier sein.

Viele denken jetzt wahrscheinlich, ihr habt den Traumjob.

Ja, aber die meisten machen das zu unüberlegt. Genauso, wie ich mir denke: Arzt ist ein geiler Job, denken viele bei uns auch, wir hätten den Traumjob. Aber man muss sich ja immer klarmachen, was das bedeuten würde.

Was bedeutet es denn, ein Leben im Surfcamp?

Das hört sich immer so toll an. Aber man muss dafür gemacht sein. Wenn du Privatsphäre brauchst, kannst du nicht länger als drei Monate in einem Surfcamp bleiben. Als wir angefangen haben, hat sich das Team zu elft ein 40-Quadratmeter-Zimmer geteilt. Und ein Bad. Die klassische Situation war: Zwei putzen sich die Zähne, einer duscht, und einer sitzt auf dem Klo. Und wenn du das Zimmer verlässt, gehst du nach unten, wo die Gäste sind. Die haben immer Fragen. Manche können schlecht nein sagen. Und dann bist du schnell durch.

Und dir macht das nichts aus?

Ne, gar nicht. Ich kann mir relativ gut bewusst machen, was die Alternative wäre. Mir würde ein Nine to five Job was ausmachen. Wenn die Gäste mich immer und immer wieder dasselbe Fragen, und ich 20 Mal die Woche das gleiche erzähle, macht mir das nichts aus.

"Mein Team legt schon Wert auf ein hohes Spaßlevel", sagt Alex. "Ich hoffe, dass die sich das behalten."

Ihr habt drei Monate im Jahr Urlaub. Urlaub vom Urlaub? Wo fahrt ihr denn dann hin?

Der Grund ist: Wir machen nen Job, bei dem wir weit weg von Familie und Freunden entfernt sind. Manche gehen aber nur ne Woche nachhause und dann 2,5 Monate surfen. Mir reicht es auch, wenn ich die zwei Mal im Jahr sehe und weiß, dass es allen gut geht.

Hast du zu den Freunden von früher noch Kontakt?

Zu vielen nicht mehr. Ich habe mich in den Jahren, in denen ich unterwegs war, verändert - und sehe manche Dinge heute anders. Aber mit einigen Freunden von früher, welche ähnliche Ansichten wie ich haben, bin ich auch heute noch eng befreundet. Die kommen mich auch regelmäßig in Sri Lanka besuchen. Bei Raphis und Waschdls Freunden ist das auch so.  

Glaubst du das hört irgendwann auf, und dass du irgendwann was anderes willst?

Aktuell bin ich lieber viel auf Reisen.

Ich kann das total nachvollziehen. Aber ich hoffe immer, dass das Fernweh irgendwann aufhört.

Kommt ja auch immer auf das Umfeld an. Ich kenne viele, die so ticken wie ich. Das ist natürlich was anderes, als wenn man in seinem Umfeld schon ein Exot ist, wenn man mal vier Wochen am Stück Urlaub macht. Seine Entscheidung in Frage zu stellen, weil eine Masse an Menschen das anders macht – wer sagt denn, dass die das richtig machen. Weil sie mehr sind?

Aber wenn man in diesem Umfeld ist, und alle machen es anders, denkt man immer, mit einem stimmt was nicht.

Aber vielleicht sind ja auch alle anderen anders : )

Stimmt : ) Was bedeutet dir Surfen heute?

Es ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens, der mich sehr glücklich macht. Als wir das Camp aufgemacht haben, bin ich drei Mal am Tag surfen gewesen, war sechs Stunden am Tag im Wasser. Wir haben das so strukturiert, dass wir immer genug Zeit haben, um surfen zu gehen. Gerade habe ich aber so viel Arbeit, dass ich kaum dazu komme. Das muss sich wieder ändern. Ich hab das alles ja nicht gemacht, um viel zu arbeiten. Sondern, um surfen zu können.

Interview

Jennifer Köllen

Fotos

Drivethru Surfcamps

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http://www.www.drivethru.de/

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